Punk’n’Politics
Martin Murpott ◄
This is not ‘just business.’
This is about my rights as a worker, as a woman and as a human being.”
Finally telling my story after I got pregnant in Lyon and the treatment I got while I was pregnant and returning to the pitch!”
(Sara Björk Gunnarsdóttir on Twitter, 17.01.2023)
Du bist zwar ein Fußballverein und kein Mensch, trotzdem erscheint mir eine Personifizierung deiner selbst an dieser Stelle durchaus passend. Betrachte dich also in weiterer Folge stellvertretend für all jene Dienstgeber, bei deren arbeitsrechtlichem Umgang mit weiblichem Personal etwas ganz entschieden falsch läuft. Selbstverständlich bist du natürlich nur einer von vielen Klubs, die sich vermutlich ähnlich dreckig verhalten hätten, was den Fall der isländischen Fußball-Nationalspielerin Sara Björk Gunnarsdóttir betrifft. Es ist jetzt also keinesfalls mein Bestreben, deine Fans, deine Funktionäre oder vor allem deine einzelnen Sparten generell und alleinig zu beschämen. Viel eher geht es mir um die allgemeine Kritik an einem patriarchalen Vereinssystem im Fußball, bei dem man durchaus den Eindruck gewinnen könnte, dass die Gründung von Frauenabteilungen weniger dem Sport, sondern einfach nur einer falsch verstandenen Imagepflege dienen soll.
Legen wir mal die Fakten auf den Tisch: Du verfügst über ein Budget von jährlich 250 Millionen Euro, unterhältst dir damit ein Männerteam und löhnst euren männlichen Topspielern bis zu 467 000 Flocken monatlich, ohne groß mit der Wimper zu zucken. Zusätzlich befindet sich ein eigenes Stadion für fast 60 000 Besucher*innen in deinem Besitz, für das du mindestens 20 mal pro Jahr Eintrittskarten im Gegenwert eines Wochenendeinkaufs pro Stück vertickst. Zwar koffern deine Jungs derzeit nur im tabellarischen Mittelfeld der französischen Ligue 1 herum, trotzdem sind immer noch durchschnittlich 46 000 Fans bereit, diese Preise auch zu bezahlen. Ein bisschen Merchandise da, ein bisschen Kantinenfutter dort – man braucht wirklich kein ausgewiesener Wirtschaftsexperte zu sein um zu erkennen, dass hier ordentlich der Rubel rollt. Nicht umsonst gehörst du zu den fünf reichsten Klubs ganz Frankreichs.
Bei deinem in sportlicher Hinsicht aktuell durchaus erfolgreicherem Frauenteam werden die Baguettes aus verschiedenen Gründen ungleich kleiner gebacken. Das mediale Interesse ist um einiges geringer, die Größe der Spielstätten oft wesentlich überschaubarer. Die Menge an Publikum hält sich vergleichsmäßig in Grenzen, aber vor allem erscheint am Ende des Monats zumindest eine Null weniger auf dem Gehaltszettel der Spielerinnen. Manche von euch könnten nun in den Raum stellen, dass Männerfußball sowohl schneller, härter als auch technisch versierter sei, als der der Frauen. Dem kann man durchaus entgegenhalten, dass schneller nicht unbedingt besser oder zwingend spannender bedeutet. Wenn man dann noch sieht, wie durchtrainierte Außenstürmer gefühlte 20 Minuten lang den sterbenden Schwan mimen, nur weil sie vom Luftzug eines attackierenden Gegners gestreift wurden, ist es mit der Härte vermutlich doch nicht so weit her. Und abgesehen davon, dass zumindest hier in Österreich über grottenschlechte Ligaspiele der Herren ganze Opern gesungen werden müssten, beherrschen Sportlerinnen wie Sara Björk Gunnarsdottir ihr Handwerk .
Der Grund also, warum Frauenfußball keinen spürbar höheren Stellenwert genießt, könnte einerseits dann doch daran liegen, dass es an einem ernsthaften, weil ausschließlich auf Männer fixierten, Marketing fehlt. Andererseits spielt natürlich das Vorurteil bzw. der Fehlglaube eine Rolle, dass Frauenfußball grundsätzlich qualitativ unterlegen sei. Nichts erscheint daher nun einfacher, als damit die in fast allen europäischen Ländern bestehende eklatante Ungleichbezahlung von Fußballerinnen zu rechtfertigen. Fest steht allerdings, dass weibliche Profis genauso hart trainieren, genauso oft am Platz stehen und genauso viel Einsatz zeigen müssen, wie ihre männlichen Pendants. Wenn man jetzt Leistung in weiterer Folge nicht unbedingt dadurch definiert, mit welcher Geschwindigkeit ein Freistoß über den Dächern der Tortribüne oder in den Eingeweiden der gegnerischen Verteidiger landet, ergibt sich ein ganz grundsätzliches Problem: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist im Fußball maximal vom Hörensagen bekannt.
Nicht, dass ihr mich falsch versteht: Niemand sollte soviel verdienen, wie die männlichen Topprofis europäischer Spitzenligen, vor allem die Männer nicht! Wie schon eingangs erwähnt, betragen die Spitzengehälter der Herrenmannschaft von Olympique Lyon bis zu 467 000 Euro monatlich, und damit ist in Bezug auf andere Teams des Kontinents noch nicht einmal annähernd das obere Ende der Eckfahne erreicht. Hier werden im Endeffekt Summen im Umlauf gebracht, die von den finanziellen Lebensrealitäten unzähliger „gewöhnlicher“ Fans, Vereinsfunktionär*innen oder Hobbykicker*innen schon soweit abgekoppelt sind, dass man als antikapitalistischer Linker eigentlich sofort zum unkommerziellen Knittelwerfen wechseln müsste. Umso fragwürdiger erscheint es deshalb innerhalb dieser Geldmaschinerie, dass Lyon seinen weiblichen Topstars in einem ganzen Jahr gerade mal das zahlt, was ein Alexandre Lacazette pro Monat verdient. Allerdings muss sich diesen Vorwurf der Fairness halber so gut wieder jeder große Klub gefallen lassen.
Nur weißt du was, Olympique? Das war dir ja nicht genug! Denn was du abseits der ohnehin schon völlig absurden Ungleichbezahlung ALLER deiner Spielerinnen mit Sara Björk Gunnarsdóttir im speziellen abziehen wolltest, war dann doch ein ganz eigenes Kapitel. Da erlaubt sich dein damaliger Topstar des Frauenteams doch tatsächlich das, was seit Anbeginn aller Tage das Überleben der Menschheit sichert: Sie wird nicht nur schwanger, sondern ist nebenbei sogar so frech, das Kind auch auszutragen! Und was machst du, obwohl Gunnarsdottir von Anfang an klar kommuniziert hat, dass sie nach der Geburt ihres Kindes in den Spielbetrieb zurückkehren wollte? Anstatt eine Vorreiterrolle einzunehmen und zu sagen, zumindest bei uns darf die Möglichkeit einer Schwangerschaft weder Karrierehindernis noch Besorgnisgrund darstellen, entschließt du dich für das genaue Gegenteil. Du stellst deine verdammten Gehaltszahlungen ein, quittierst Gunnarsdóttirs Vertrag und lässt ihr unverschämter Weise noch ausrichten, dass es „nichts Persönliches, nur Business“ sei . Ich meine, da geht man hin, gratuliert, wünscht alles Gute oder sagt im Zweifelsfall gar nichts, aber knausert sicher nicht wegen für deine Verhältnisse lächerlicher 83 000 Euro herum! Genau diesen Betrag musstest du heuer nämlich nachzahlen, nachdem du ursprünglich beschlossen hattest, gegen eine seit Anfang 2021 gültige Regelung der FIFA zu verstoßen. Diese besagt, dass Vereine einer schwangeren Spielerin über 14 Wochen mindestens zwei Drittel ihres Gehalts zu zahlen haben, was du jedoch geflissentlich ignoriertest. Stattdessen hattest du versucht, dich auf das in dem Fall untergeordnete französische Arbeitsrecht zu berufen, nur um dir würdelos finanzielle Peanuts zu ersparen. Ich feiere Gunnarsdottir wirklich dafür, dass sie dir das nicht durchgehen hat lassen und damit hoffentlich einen Präzedenzfall schuf. Credits gehen des Weiteren raus an die französische sowie die internationale Spielergewerkschaft, ohne deren Unterstützung dieser kleine, aber feine Erfolg vermutlich nicht möglich gewesen wäre. There is Power in a Union and shame on Olympique Lyon!
1 https://www.90min.de/posts/frauenfussball-was-passierte-als-ich-schwanger-wurde-ex-spielerin-teilt-gegen-olympique-lyonnais-aus-gunnarsdottir