Katharina Zwanzger ◄
Was bedeutet es, Sorge zu tragen? Der englische Begriff „Care“, der auch im deutschsprachigen Raum Fuß gefasst hat, bezieht sich nicht nur auf den Bereich der Pflege, wie die Betreuung von Angehörigen oder die 24-h-Betreuung, sondern schließt auch Selbstfürsorge, zwischenmenschliche Beziehungen und Nachbarschaftshilfe mit ein. Care-Arbeit, die oft unbezahlt ist und unter prekären Bedingungen stattfindet, durchdringt alle Lebensbereiche. Sie beginnt bereits bei den Sorge tragenden werdenden Eltern und reicht von Kinderbetreuung und sorgenden Beziehungen zwischen KollegInnen am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis, bis hin zu freiwilliger Mitarbeit in gemeinnützigen Vereinen oder Besuchen in einem Altersheim oder Krankenhaus und der Begleitung von Menschen auf ihrem letzten Lebensweg.
Für Joan Tronto (2009), Professorin für Politikwissenschaften an der University of Minnesota, betrifft Care alle Menschen, da wir alle auf verschiedene Art und Weise Care empfangen, geben und insbesondere benötigen. Die zwischenmenschliche Abhängigkeit dieser Care-Beziehungen ist nicht nur diffizil, sondern ein einzigartiger Teil des Menschseins und erlaubt uns, Herausforderungen anzunehmen und mit- und
füreinander Sorge zu tragen.1
„Caring Perspectives“ widmet sich der Sichtbarmachung verschiedenster Bereiche der Care-Arbeit, wie zum Beispiel Erfahrungen von ProfessionistInnen, intergenerationellen Beziehungen sowie Schule als Care-Ort, und zeigt vielfältige Perspektiven zum Thema Sorge tragen auf. Die Schwerpunktausgabe wirft vertiefende Blicke auf oftmals unsichtbare Care-Arbeit, sowohl im privaten als auch im professionellen Kontext. Von unterschiedlichen Positionen aus untersuchen, diskutieren, reflektieren und hinterfragen die AutorInnen, was es bedeutet, Care für Menschen zu tragen, für sich selbst und für andere. Wie empfinden sie zwischenmenschliche Beziehungen im Rahmen von „Care-Arbeit“? Welche Herausforderungen in alltäglichen Care-Beziehungen gilt es zu bewältigen und welche schönen „Care-Momente“ erleben sie? Im Rahmen von Gedichten, Erfahrungsberichten, informativen Statistiken, Kritik an bestehenden Ungleichheiten sowie Vorschlägen und Ideen für Verbesserungen in der Care-Arbeit teilen die AutorInnen ihre persönlichen „caring perspectives“.
Die Schwerpunktausgabe wurde in Kooperation zwischen dem Redaktionsteam des ausreißer – Die Wandzeitung und dem und dem Zentrum für Interdisziplinäre Alterns- und Care-Forschung der Universität Graz konzipiert. Auch Mitglieder der Age and Care Research Group Graz sowie Studierende der Lehrveranstaltung “Get Well Soon! Illness Narratives in American Literature and Culture” von Ulla Kriebernegg im Sommersemester 2022 brachten ihre Gedanken und Erfahrungen zum Thema Care ein.
1 Tronto, Joan (2019). “Ethics of Care”. Interview, 16.10.2009. https://ethicsofcare.org/joan-tronto/ [21.05.2022].