Katharina Zwanzger ◄
Was bedeutet es, wenn Menschen aus unterschiedlichen Generationen zusammenkommen, zusammenarbeiten oder zusammenleben? Beim Gedanken an intergenerationelle Beziehungen schwingen oftmals (unbewusste) Vorstellungen und Vorannahmen mit, wie die andere Altersgruppe „ist“. Welche Interessen, Vorlieben und Verhaltensweisen zeigt die oder der Andere? Welche Stereotype verbinden wir mit jeweils jüngeren oder älteren Menschen? Kann man von einer Person tatsächlich auf eine ganze Alterskohorte schließen?
Wie Menschen intergenerationelle Beziehungen wahrnehmen, wurde in einer Studie mit jüngeren (< 35 Jahre) und älteren (> 60 Jahre) Personen in Bezug auf digitales und analoges Zeitunglesen im Rahmen des Forschungsprojekts „App-solute Neuigkeiten“ an der Karl-Franzens-Universität Graz untersucht. Eines der Projektziele ist die Sichtbarmachung von möglichen Stereotypen bezüglich Alter und Mediennutzung sowie der Abbau von Vorurteilen gegenüber anderen Altersgruppen, denn nur durch die Thematisierung von Marginalisierung und Diskriminierung können Veränderungen angeregt und durchgeführt werden.
Aus den Antworten eines Fragebogens, den die ProjektteilnehmerInnen ausfüllten, geht hervor, dass sich sowohl die Altersgruppe < 35 Jahre als auch die > 60-Jährigen auf die gemeinsame Zeit mit Ihren TandempartnerInnen gefreut hatten und dass das gemeinsame Arbeiten sowie der Ausdruck von Kreativität, der durch die gemeinsame Erstellung von „Digitial Stories“ (i.e. kurze digitale Geschichten) erfolgte, im Zentrum ihres Interesses standen. Innerhalb der „Digital Stories“, die sowohl Bilder als auch Ton und Text auf kreative Weise kombinieren, veranschaulichten die intergenerationellen Zweierteams ihre Leseerfahrungen mit analogen und digitalen Zeitungen. Die daraus entstandenen digitalen Geschichten zeigen das Ergebnis der Zusammenarbeit der zwei Altersgruppen.
Es ist bemerkenswert, dass beide Altersgruppen die Beziehung zu ihrem Tandem ausschließlich in positiven Worten bezeichneten und erklärten, dass in der intergenerationellen Zusammenarbeit Wertschätzung und Kollegialität sowie Offenheit, Interesse und Motivation ebenso wichtig waren wie Kreativität, Harmonie und Spaß. Die jüngeren TeilnehmerInnen stellten fest, dass sie in der Zusammenarbeit mit ihren älteren TandempartnerInnen vor allem im Bereich der Persönlichkeitskompetenz und der Sprachkompetenz viel lernen konnten. Darüber hinaus lernten sie, sich Zeit zu nehmen, alternative Lösungen zu suchen und andere Meinungen kennenzulernen. Teamwork sowie Humor spielten auch eine Rolle und die technische Kompetenz von Älteren wurde hervorgehoben. Für die > 60-Jährigen stellten insbesondere die Fachkompetenz ihrer TandempartnerInnen (vorrangig der Umgang mit digitalen Medien) gefolgt von Persönlichkeits- und Sozialkompetenzen Lernerfahrungsbereiche dar.
Obwohl etliche der jüngeren TeilnehmerInnen die besseren technischen Kompetenzen ihrer eigenen Altersgruppe hervorhoben, gaben viele auch an, dass das Alter kaum eine Rolle in der Zusammenarbeit spielte. Die intergenerationelle Zusammenarbeit wurde von vielen Jüngeren als „neu“ und „herausfordernd, aber spannend“ bezeichnet. Ein/e TeilnehmerIn erklärte, dass die Zusammenarbeit „gut funktioniert“ habe, dass jeder „etwas beitragen“ konnte und dass Hilfestellungen auch von „jüngeren Generationen“ in Anspruch genommen werden können. Ein/e jüngere/r TeilnehmerIn „war positiv überrascht, wie gut und schnell sich jemand, der sonst nie viel mit digitaler Arbeit bzw. dem Internet zu tun hat, darauf einstellen bzw. sich anpassen kann“.
Für die Altersgruppe > 60 Jahre spielte das Alter ebenso wenig eine Rolle. Die TeilnehmerInnen verwiesen einerseits auf die unterschiedlichen Kompetenzen und Voraussetzungen der Tandempaare und die Geduld der Älteren. So erklärte ein/e TeilnehmerIn: „Ältere Menschen haben jede Menge Kompetenzen, die auch in Zeiten wie diesen eingesetzt und genutzt werden können. Vor allem haben wir auch mehr Geduld“. Ein weiterer Teilnehmer > 60 Jahre erklärte: „Der Alte darf nicht annehmen, dass er alles besser weiß, bloß weil er Lebenserfahrung hat. Als Junger hat er in Relation auch nicht mehr gewusst. Erfahrung kann auch hemmend wirken“. Diese Aussage lässt auf eine Neubewertung von Lebenserfahrung sowie Verständnis für die Erfahrungen Jüngerer schließen.
Abschließend wurden die intergenerationellen Tandempaare auch nach Tipps gefragt, die sie anderen Personen für die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Altersgruppen mitgeben möchten.
Tipps der TeilnehmerInnen < 35 Jahre:
• Offenheit gegenüber der älteren Person zeigen
• Lernpotenzial erkennen
• Ruhe bewahren
• Vorurteile überwinden
• Empathie aufbringen
• auf Augenhöhe kommunizieren
• Freude empfinden
„[…] von älteren Personen kann man so viel lernen und neue Perspektiven bekommen“; „Immer wenn ich meinen Eltern etwas beibringen muss im digitalen Bereich und mich ärgere, dass sie es nicht verstehen, denke ich daran, dass sie mir laufen, sprechen, rechnen und noch so viel mehr beibringen mussten. Dann ist es leichter weiterzumachen“; „Einfach keinen Unterschied voraussetzen“; „[…] man kann vieles voneinander lernen“; „Man sollte zum Gegenüber […] offen sein für den individuellen Menschen mit seinen Stärken und Schwächen“; „Es ist wichtig auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren – jede Generation bringt wichtige Elemente mit und man kann immer voneinander lernen!“.
Die Tipps der > 60-Jährigen bezüglich einer Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Altersgruppen:
• Wertschätzung und Respekt zeigen
• Offenheit gegenüber der jüngeren Person
• Lernpotenzial erkennen
• Zuhören und sich Zeit nehmen
• Spaß & Kreativität an der Zusammenarbeit
• Sich abgrenzen
• Erfahrungen weitergeben
„Offenheit und Aufgeschlossenheit ins Gespräch mitbringen; jeden ausreden lassen; aufmerksam zuhören; neugierig bleiben“; „auf Augenhöhe agieren, die Kompetenzen des jeweils anderen sehen, respektieren und nützen“; „Man soll alle Altersgruppen respektieren. […] Man soll sich gegenseitig wertschätzen und helfen – egal ob jung oder alt“; „Interessante Inputs […] aufnehmen, aber auch: ich muss mich nicht für alles interessieren“; „Versuche zuerst die Gründe, die Umstände einer bestimmten Haltung zu erfassen“; „Dass man in jeder Lebensphase etwas dazulernen kann, wenn man sich darauf einlässt“.
Die Tipps der intergenerationellen Tandempaare fassen aussagekräftig zusammen, wie „Caring Relationships“ zwischen verschiedenen Generationen wirken und Vorurteile abgebaut werden können. Respekt, Offenheit, Empathie und Verständnis sollen in den Vordergrund gerückt werden, um einen Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es auch hilfreich, sich nicht auf (potenzielle) Unterschiede, sondern auf Gemeinsamkeiten, bzw. ein gemeinsames Ziel zu fokussieren, das einen intergenerationellen Dialog fördert und ein fürsorgliches Miteinander ermöglicht.