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Joachim Hainzl ◄

Als wir von XENOS im Sommer 2020 im Rahmen eines Calls von Kulturlandesrat Christopher Drexler unser Projekt „Bist du noch auf Distanz oder lebst du wieder?“ konzipierten, dachten wir optimistisch, dass uns nach einem Frühjahr mit Lockdown, Kurzarbeit und Homeoffice bald wieder, wohl im Herbst 2020, eine entspannte Zukunft bevorstehen würde. Doch nicht nur diese Hoffnung zerschlug sich, sondern einem Jahr voller sich wiederholender Verschiebungen und Absagen folgten weitere Monate mit gravierenden Einnahmenverlusten, Produktions- und Publikumsausfällen. Galt die herbeigesehnte Impfung lange Zeit als Allheilmittel zur Beendigung der Pandemie, zwangen uns niedrige Impfraten, Covid-Leugner*innen und neue Virusvarianten wieder in Lockdowns.

Es war daher noch eine recht distanzierte Zeit als wir im Winter 2021/22 steirische Künstler*innen und Kulturmanager*innen um die Beantwortung folgender Fragen baten:
• Wie hat die Pandemie dein Leben als Künstler*in bzw. Kulturmanager*in geprägt?
• Wo wurde deine eigene Arbeit bzw. dein Engagement verhindert oder reduziert?
• Seit dem ersten Lockdown wurde der unterschiedliche Umgang mit verschiedenen Bereichen der Gesellschaft als Minderschätzung und fehlendes Verständnis für Kunst und Kultur interpretiert. Welche Meinung hast du dazu?
• Viele von uns gingen mit ihren Arbeiten online oder haben andere Möglichkeiten der Zusammenarbeit bzw. Publikumseinbindung ausprobiert. Was bedeutet diese (irreversible) Virtualisierung für die Produktion und Rezeption von Kunst?
• Unmittelbar im eigenen Arbeitsbereich haben wir neue Erfahrungen mit Einlasskontrollen, Contact Tracing, Präventionskonzepten etc. gesammelt. Diese scheinen im Kontrast zu stehen mit Datenschutzforderungen, dem Wunsch nach Anonymität oder Kritiken an einem Zuviel an Überwachungsstaat. Wie siehst du diese Entwicklung?

Die Antworten zeigen, wie sehr gerade Künstler*innen in einem Bereich tätig sind, der geprägt ist von unabdingbar notwendiger zwischenmenschlicher Kommunikation und dass die Virtualisierung von Kunst kein Ersatz dafür sein kann. Obzwar einzelne Künstlerinnen und Kulturmanager*innen sich individuell mehr oder minder erfolgreich an die Ausnahmesituation anzupassen wussten, so verschärfte die Pandemie augenscheinlich die bereits zuvor prekäre finanzielle Situation vieler.

Die gezeigten Fotoportraits sind nicht dokumentarisch. Vielmehr geht es um eine ironische, klischeehafte Inszenierung eines vermeintlich sorgenfreien Alltags, wie wir sie aus Katalogen von Möbel- und Einrichtungshäusern kennen. Alle teilnehmenden steirischen Künstler*innen und Kulturmanager*innen agieren hier außerhalb ihres bekannten Umfelds von Galerien, Ateliers, Theatern und anderen bis vor der Pandemie üblichen Orten der Kunst- und Kulturproduktion und -präsentation. Denn die Pandemie sorgte nicht nur für einen erzwungenen Rückzug aus dem öffentlichen Bereich, sondern für eine durch Homeoffice und Videokonferenzen noch umfassendere Durchdringung des Privaten als öffentlich geteilten Ort der Arbeit.

Titelbild Joachim Hainzl
© Azam Shadpour

Die Fotografien dieser kongenialen Kooperation von XENOS mit dem ausreißer stammen von der iranischen Fotografin Azam Shadpour, die nach einer langen Zeit der Reisebeschränkungen als „Artist in Residency“ von XENOS nach Graz kommen und hier gemeinsam mit Maryam Mohammadi Künstler*innen und Kulturmanager*innen in ihren persönlichen Bereichen besuchen konnte.
Wieder zurück in Teheran, wurde von Azam auch das Layout dieser Sondernummer umgesetzt.


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