warum feminismus radikal sein sollte

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punk’n’politics


Martin Murpott ◄

“It’s revolution time
so put away your phone
It shall be televised
and streamed across the globe
Smash! Smash! the patriarchy
Smash! Smash!”

(Ladykillers – Smash The Patriarchy)


Vorweg: Die Falle!

„Welche Falle, verdammt?“, frage ich mich in einem fiktiven Selbstgespräch. „Jene Falle, in die ich nicht tappen will und die sich Mansplaining nennt“, antworte ich mir voller Überzeugung. Und just in diesem Moment kommt mir auch schon der Gedanke, dass ich dabei gleich noch in eine weitere Falle tappen könnte oder bereits getappt bin, nämlich in die der männlichen Selbstdarstellung. Bereits viermal „ich“ in den ersten drei Sätzen beschreibt das Problem wohl durchaus trefflich. Im folgenden Text soll es nämlich weder um mich noch um meinen sozial geprägten Geltungsdrang gehen. Ebenso nicht darum, dass ich Frauen beziehungsweise (trans) Frauen vorschreiben will, wie sie ihren Feminismus zu kämpfen haben. Definitiv nicht am Weltfrauentag und auch einfach sonst nie! Steht mir nicht zu. Aus und Ende. Deswegen darf dieser Beitrag auch keinesfalls als Handlungsanleitung verstanden werden, sondern maximal als Gedankengang eines x-beliebigen Kerls, der glaubt, dass man aufs Ganze gehen muss, um überhaupt die Hälfte zu bekommen.

Das Übel an der Wurzel packen

Wenn man den Global Gender Gap Report betrachtet, also jenen Bericht, der die Kluft der Gleichstellung zwischen den Geschlechtern analysiert, ergibt sich ohne große Umschweife folgendes globales Muster: In keinem Land der Welt sind Frauen in den wesentlichen Bereichen des sozialen, politischen und ökonomischen Lebens Männern gleichgestellt. Österreich bietet dabei wundersamer Weise keine Ausnahme. Weltweit an der für westeuropäische Verhältnisse erstaunlich schlechten 34. Stelle liegend, verwehrt die Alpenrepublik seinen Frauen über 25 % dessen, was Männer bereits haben und wohl am liebsten ganz für sich beanspruchen würden: wirtschaftliche Macht, Zugang zu Bildung, Erhalt der Gesundheit und politischen Einfluss. Aber auch nach oben hin wird es nur bedingt besser. In Island, dem Bestbewerteten der Rangliste, fehlen der weiblich gelesenen Bevölkerung immer noch satte 12,3% auf eine wirkliche Gleichstellung, weltweit gesehen sind es über 34% und auf den hinteren Plätzen zum Teil sogar weit über 40%.

In einer Gesellschaft wie der unsrigen also, in der Macht und Einfluss zweier Bevölkerungsgruppen dermaßen ungleich verteilt sind, erscheint es deshalb nur naheliegend, dass sich der Fehler im System selbst befinden muss. Vor allem, wenn diese Ungleichverteilung keine Momentaufnahme darstellt, sondern einen Permanentzustand widerspiegelt. Dass manche Länder durchaus einen positiven Trend erfahren, lässt einerseits den trügerischen Schluss zu, dass es ja nur eine Frage der Zeit sein kann, bis sich das Problem von selbst löst. Aber es würde noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis das eintritt, was in einer fairen Gesellschaft eigentlich Konsens sein sollte: Ein egalitäres Zusammenleben von  männlichen, weiblichen, intersexuellen, non-binären und genderqueeren Personen, in dem das  vermeintliche Geschlecht keinerlei Rolle mehr für den Anteil an sozialer, wirtschaftlicher und politischer Einflussnahme spielt.

Andererseits beweisen alte und religiös verseuchte weiße Männer in Ländern wie beispielsweise Polen immer wieder aufs Neue, dass dieser Trend mehr als nur fragil beschaffen ist und innerhalb weniger Jahre wieder völlig revidiert werden kann. Die Forderung nach Chancengleichheit und Gleichberechtigung sollte also zu keiner bloßen Bitte verkümmern, die von Gottes Gnade beziehungsweise dem Entgegenkommen der von ihr personifizierten männlichen Dominanz abhängig ist. Viel eher wäre es ratsam, jegliches Patriarchat zu zerschlagen, um auf seinen Trümmern endlich eine faire Gesellschaftsordnung entstehen zu lassen. Es gilt, das Übel an der Wurzel zu packen und sowohl umfassend als auch nachhaltig zu beseitigen. Es geht darum, die geschlechtlichen Machtverhältnisse grundlegend aufzulösen und zum Vorteil aller neu zu ordnen. Aus emanzipatorischer Sicht erschließt sich kaum ein Grund, warum diese Art von Radikalismus nicht einer ernstgemeinten Solidarität unterworfen werden sollte. Derselbe Blickwinkel lässt es aber zumindest völlig deplatziert erscheinen, ihn mit dem Makel des Negativen zu behaften.

Laut, aggressiv & kompromisslos

All das oben Beschriebene wird sich klarerweise nicht von einem Tag auf den anderen bewerkstelligen lassen. Aber seien wir uns ehrlich, die Taktik der männlichen Alphatierchen ist seit Anbeginn aller Zeiten, sich auf ein Podest zu stellen, sich mit den Fäusten auf die Brust zu trommeln und lauter als andere zu brüllen. Solche Alphatierchen sehen und hören einen nicht, wenn man ihnen mit Freundlichkeit und Demut die eigenen Forderungen vorträgt. Im Gegenteil. Man muss mindestens gleich laut schreien und sich groß machen, um von jenen wahrgenommen zu werden, die ihre Machtposition fast schon als legitime historische Kontinuität betrachten. Dass der Ton dabei nicht ruhig auch etwas rauer und aggressiver sein darf, ist kein festgeschriebenes Kommunikationsgesetz, sondern maximal der Versuch, dem Feminismus männlich diktierte Spielregeln aufzuerlegen. Es liegt nicht an den Unterdrückten, auf die Befindlichkeiten der Unterdrücker und deren fragile Egos Rücksicht zu nehmen.

Welche Mittel und Wege dann in weiterer Folge gewählt werden, um völlig berechtigte Zielsetzungen zu erreichen, kann konsequenterweise nur im Ermessen derer liegen, die dieses Ziel auch gesetzt haben. Alles anderer würde den feministischen Kampf letztendlich ad absurdum führen oder zumindest von vornherein ins Leere laufen lassen. Als Faustregel darf hier ohne weiteres gelten: Umso höher der Grad an Diskriminierung, desto notwendiger die Wahl radikalerer Formen des Protests und des Widerstandes. Es gibt keine Gleichheit innerhalb der Ungleichheit und auch keine Gerechtigkeit innerhalb der Ungerechtigkeit. Zähne zeigt, wer das Maul aufmacht! Kompromisse eingehen zu wollen, würde bloß bedeuten, die fehlende Gleichstellung zwischen Mann und Frau zwar zu vermindern, aber nicht aufzuheben.

Doch was können wir Männer tun?

Bild: Together — Barbara Philipp

Da gäbe es durchaus eine breite Palette an sinnvollen Möglichkeiten. Eine davon wäre, erst einmal die Fresse zu halten und zuzuhören. Einfach zu akzeptieren, welche Auswirkungen eine breite Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auf die Lebensrealitäten der Betroffenen hat. Und die Betroffenen sind nicht wir Männer. Die nächste Möglichkeit wäre Support anzubieten und zwar bedingungslos, sofern man es tatsächlich ernst meint. Wenn der feministischen Kampf von uns angeblichen Verbündeten zu einem Wunschkonzert gemacht wird, bei dem wir nur Forderungen unterstützen, die uns genehm oder zuträglich erscheinen, dann meinen wir es nämlich nicht ernst. Schließlich wäre dann noch die Umsetzung. Wer Support anbietet, sollte ihn auch ausführen, anstatt bei nächstbester Gelegenheit dann doch wieder zu kneifen. Wiederum gilt: Wie die gewünschte Unterstützung auszusehen hat, bestimmen jene, die sie gegebenenfalls benötigen.

Zu guter Letzt mein eigener frommer Wunsch: Können wir bitte aufhören, auf Twitter, auf Instagram oder wo auch immer „Feminist“ in unsere Biographien zu schreiben, nur um uns dann dafür gegenseitig auf die Schultern zu klopfen? Den Begriff wie eine Monstranz vor uns her zu tragen und zu glauben, damit wäre die Sache erledigt? Uns dadurch selber auf der sicheren Seite zu fühlen, ohne das eigene Verhalten immer und immer wieder einer Reflexion zu unterwerfen? Es geht immer noch nicht darum, Selbstdarstellung zu betreiben, sondern endlich einmal Nägel mit Köpfen zu machen.