Barbara Philipp ◄
Als würde das Licht in unseren Wohnräumen Tag und Nacht fortwährend ein- und ausgeschalten werden, ohne dass wir das Haus verlassen, durchlebten Frauen in der Kunst beruflich wie privat ein Wechselbad an emotionalen und finanziellen Unsicherheiten und erfuhren eine Wiederkehr, aber mancherorts auch ein Aufbrechen patriarchaler Rollenaufteilungen der Geschlechter in Familie und Gesellschaft.
Diese neuen Umstände bei Ausbruch der Pandemie im März 2020 brachen in einer unheimlichen Stille, aber auch bedingt durch das unerwartete Moment mit einer unglaublichen Wucht auf mich ein. Bald fragte ich mich, wie es denn meinen Künstlerkolleginnen und Freundinnen damit ginge.
Das Kaffeehaus in Wien als Ort der Begegnungen, zufälligen oder gewünschten, konnte ich nicht mehr aufsuchen, Reisen war ja in den ersten Wochen ausgeschlossen und das Kaffeehaus meiner Eltern, meiner Kindheit, in Graz nicht mehr in jener Form existent, in der ich es in meiner Erinnerung gedankenverloren verlassen hatte, um wiederzukommen.
Was ist das Kunstprojekt Wiener Kaffeehaus?
Das Kaffeehaus ist für mich ein Sehnsuchtsort, ein Ort des Austauschs und des Sichsammelns, ein Nachhausekommen. Aus dem Gefühl des Verlustes heraus malte ich ein Kaffeehausinterieur, in das ich mich hineinprojizieren konnte und mit dem ich fortan arbeitete. Aber die menschlichen Stimmen fehlten! Einen Raum und eine Möglichkeit für feministische Künstlerinnen und Aktivistinnen zu kreieren, in denen es möglich ist, sich auszutauschen, kennenzulernen und über die künstlerische Arbeit und das Zeitgeschehen nachzudenken, war ein logischer weiterer Schritt. Ich wollte meinen Gästen und mir sowohl eine Plattform zur Präsentation von Arbeiten und Gedanken bieten, als auch jene Veränderungen der Arbeitsbedingungen von Künstlerinnen mit und ohne Kinder dokumentieren, welche die Pandemie auslöste.
Je nach Lebensumständen erfuhr ich, dass dies bei einigen zu einer kontemplativen Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit und Ruhe mit der eigenen Arbeit oder aber auch den Verlust von tatsächlichem Raum und Zeit, einem Zeitraum, führte.
Die geographische Nähe zu meinen Gesprächspartnerinnen spielte keine Rolle, denn eine gesundheitlich „risikofreie“ Konversation war nur über digitale Medien möglich. Es gab zu Beginn 2020 noch keine Masken, keine Impfungen und Vorstellungen, wie sich die nächsten Monate gestalten würden. Mit Hilfe einer cloud-basierten Videokonferenzlösung fanden die 1:1 Gespräche in der Rauminstallation in Amsterdam statt. Die Gespräche wurden aufgezeichnet, aber nicht live gestreamt. Die Verortung des Wiener Kaffeehauses umfasst Amsterdam, Paris, Maryland, Newton Kansas, Graz, Todmoren West Yorkshire, Rotterdam and Tel Aviv.
Im Dezember 2021 sollte zum ersten Mal das Format verändert werden: Zehn Teilnehmerinnen, mother artists, würden sich vor Ort in physischer Anwesenheit treffen. Durch das Inkrafttreten eines weiteren Lockdowns fand dieses Treffen dann doch wieder online, aber nicht mehr 1:1 statt.
Am 28. März 2022 lädt das Wiener Kaffeehaus nun sieben mother artists zu einem Live-Event.
In den kommenden Ausgaben werden folgende Feministinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen des Wiener Kaffeehauses näher vorgestellt: Delphine Bedel, Margret Wibmer, Arabella Hutter von Arx, Helen Sargeant, Albertine Trichon, Helen Sergeant, Rachel E. Buller, Shira Richter, Alexandra Gaspar, Arnisa Zeqo, Weronika Zielinska-Klein.
Das Wiener Kaffeehaus ist eine Rauminstallation,
in der eine Serie von Gesprächen mit
Künstlerinnen, Kuratorinnen, Aktivistinnen und
Müttern während der ersten zwei Jahren der
Pandemie stattgefunden hat.
Siehe auch: https://barbaraphilipp.com