wovon (über-)leben wir?
Eva Ursprung, Joachim Hainzl ◄
als künstlerin ist es oft schwierig, einen bezug zwischen arbeit und „entlohnung“ herzustellen, da das eine sehr selten in einer nachvollziehbaren relation zum anderen steht.
man arbeitet irgendwie ununterbrochen. es gibt keine begrenzung der arbeitszeit, keine feiertage und manchmal sieht auch mein urlaub so aus, dass ich mit einer kollegin auf einer residency für kost und logis sitze und wir uns darüber unterhalten, dass wir uns dieses jahr eben keinen anderen „urlaub“ leisten können. für die abschlusspräsentation muss trotzdem viel getan werden, aber immerhin können wir zwischendurch in den nahegelegenen fluss springen, und am abend sitzen wir zusammen und unterhalten uns über – kunst.
eine solche ehemalige „urlaubskollegin“ bespielt dieses jahr einen pavillon auf der biennale in venedig und bekommt dafür sicher genug honorar, um über monate ein gutes leben zu führen. in zwei jahren treffen wir uns aber möglicherweise wieder auf einer residency als „artists for bed and breakfast“. denn auch die beteiligung an den renommiertesten internationalen ausstellungen garantiert nicht für ein weiteres gutes leben: viele kolleg*innen, die in der vergangenheit auf der documenta oder eben auf der biennale ausgestellt haben, freuen sich einige jahre später wieder über reisekostenersatz und ein taschengeld.
ausnahmefälle? eher nicht. die im november 2018 veröffentlichte studie zur sozialen lage der kunstschaffenden in österreich zeichnet ein nur allzu vertrautes bild:
rund 37 % der kunstschaffenden leben von einem gesamteinkommen unter der armutsgefährdungsschwelle. für rund 50 % liegt das jährliche nettoeinkommen aus künstlerischer tätigkeit unter 5.000,– euro. und die lücken in der sozialen absicherung sind besorgniserregend weit verbreitet: 42% der befragten darstellenden künstler*innen haben keine durchgehende pensionsversicherung. auch in der krankenversicherung fehlt je nach kunstsparte 5 % bis 17 % der künstler*innen ein durchgehender versicherungsschutz.
wir sind freie unternehmer*innen, aber es wird permanent erwartet, dass wir unseren job ohne honorar erledigen. es ist schließlich werbung für unsere arbeit, müssten wir nicht eigentlich froh sein, dass wir dafür nichts bezahlen müssen?
und manchmal müssen wir doch bezahlen: wenn wir uns auf diversen kunstmessen präsentieren oder in galerien, die für die nutzung des raumes miete verlangen. schließlich wissen auch die galerien oft nicht, wie sie überleben sollen. die finanzkräftigen sammler*innen lassen auf sich warten und sind vor allem in städten in der größe von graz dünn gesät. nicht zuletzt deshalb dünnt sich auch die galerienlandschaft aus und damit die möglichkeit, für die eigene arbeit zu „werben“.
dazu kommt, dass zeitgenössische kunst per se nicht immer verkaufbar ist und auch nicht sein muss, denn kunst ist nicht gleichzustellen mit wohnzimmerdekoration. kunst ist arbeit am mensch-sein, an der erweiterung des denkens, der vorstellungskraft. ebenso wie bildung ist sie notwendig für die gesellschaft.
wovon (über-)leben wir also?
schlecht bezahlte präsentationen, spärliche ankäufe, projektförderungen, die in vielen fällen gerade die materialkosten abdecken, manchmal ein preis, ein stipendium… im schnitt eben euro 5.000,– pro jahr, also euro 416,–/monat. immer gerade genug anerkennung, um nicht aufzugeben, kurz vor der resignation wieder eine interessante einladung, ein projekt, das zum weitermachen reizt und das überleben für vielleicht einen monat sichert. die arbeit am projekt dauert dann meist ein halbes jahr oder länger, aber man hat ja so viel zu sagen und es gibt auch hin und wieder menschen, die das hören und sehen wollen.
zwischen und auch während den meist sehr fordernden projekten muss eben auch anderweitig geld beschafft werden: mit aushilfsjobs, und wenn man glück hat mit aufträgen im kunstnahen bereich. das wäre an sich nichts schlimmes, würde die künstlerische arbeit nicht alles erfordern, was man an energie und konzentration aufbieten kann.
es sollte daher zumindest
selbstverständlich werden, mit der einladung zu einer ausstellung, einer
präsentation oder performance auch ein der investierten arbeit adäquates
honorar anzubieten und sich nicht zu wundern oder gar zu empören, wenn
der/die künstler*in danach fragt.
wie lange lässt es sich so noch durch- und aushalten?
bis 2003 war ich zumeist in halbtagsjobs im sozialbereich angestellt. mehr wollte ich nicht, da es mir wichtig war, neben diesen angestelltenverhältnissen noch zeit zu haben für das, was mir spass und freude, also das leben lebenswert macht. das kulturhauptstadtjahr 2003 bot dann eine chance, zu riskieren, ausschließlich von projekten und aufträgen zu leben. der freie wissenschaftliche, soziale und auch künstlerische bereich bieten mir seitdem die möglichkeit der mehr oder minder selbst gewählten selbstausbeutung. damit verbunden jedes jahr dieses zittern: wird es sich ausgehen mit den aufträgen? werde ich mich wieder genug neu erfinden können, werde ich wieder irgendwelche innovativen projekte aus dem ärmel schütteln können? und klar, auch in meinem feld gibtes genug leute, die denken, meine arbeitsleistung und mein know-how gibt’s gratis. darum habe ich z. B. auch 2018 einem großem internationalen steirischem kunstfestival verdeutlicht, dass ich zwar sehr gerne bereit bin, internationalen teilnehmerInnen ihres festivals etwas zur steirischen und grazer geschichte zu erzählen, sie herumzuführen etc., aber dass das eben nimmer gratis geht. honorar gab es schließlich – keines. aber in einem fall wurden zumindest meine inhaltlichen inputs in einem video des künstlers öffentlich gemacht. tja, was macht man nicht alles für die „ehre“.
als vereinsobmann sehe ich mich dann auch immer wieder in der umgekehrten rolle. dass ich oft leuten nicht soviel zahlen kann, wie ich gerne würde und weiß, dass es notwendig ist.
warum also dann diese fortgesetzte selbstausbeutung, warum diese aufwände, die oft niemals im einklang mit dem output stehen? warum fehlende soziale absicherung? weil ich es mir einfach nicht vorstellen kann, fünf mal in der woche zur selben zeit an einem arbeitsplatz erscheinen zu müssen, weil ich fürchte, keinen direkten vorgesetzten mehr ertragen zu können, weil ich auch vielleicht nur (mehr) begrenzt teamfähg bin.
weil ich es einfach zu sehr liebe, etwa jetzt hier um 23.00 uhr in teheran vorm pc zu sitzen, um kostenlos in die tasten zu hauen. solange ich es mir finanziell leisten kann, es gesundheitlich geht und ich noch genug energie habe, mache ich es lieber so wie die letzten wochen, die ich hier gratis gearbeitet habe für meine erste große ausstellung in teheran und wo ich noch an die 1000 euro aus meinem privatbudget zur umsetzung beigesteuert habe. denn irgendwie wirkt mir das positive feedback der menschen hier direkter und persönlicher, als wie wenn ich diese arbeit als teil eines „jobs“ gemacht hätte.
vermutlich habe ich eine zu negative sicht auf lohnarbeit, angestelltenverhältnisse und dergleichen. aber nach 15 jahren arbeit ohne netz bin ich mehr und mehr davon überzeugt, dass ich nur so arbeiten möchte wie ich es die letzten jahre gemacht habe und weitermachen möchte, so lange es nur irgendwie geht. die frage ist nur: wer zahlt mit dann, wenn es nicht mehr geht, die anfallenden monatlichen kosten fürs wohnen und meine grundbedürfnisse? alles in allem also eine situation zwischen ständigem hoffen und bangen und einem gewissen grad an bewusst gewählter realitätsverweigerung ohne plan b.